Maß für Maß
von William Shakespeare, deutsch von Thomas Brasch
Maß für Maß
von William Shakespeare, deutsch von Thomas Brasch
NICK HARTNAGEL REGISSEUR
Maß für Maß
von William Shakespeare, deutsch von Thomas Brasch
Premiere: 11. April 2019
am Landestheater Tübingen
Regie: Nick Hartnagel
Bühne & Kostüme: Tine Becker
Musik: Lukas Lonski
Live-Kamera: Daniel Holzberg
Dramaturgie: Laura Guhl
Mit: Florenze Schüssler, Lisan Lantin, Gilbert Mieroph, Nicolai Gonther,Rolf Kindermann, Stephan Weber, Rinaldo Steller, Daniel Holzberg, Jens Lamprecht
„Wir untersuchen die Dualität zweier Führungsstile. Auf der einen Seite ein alter Herzog aus einer männlich dominierten Führungsriege, die einen barocken ausschweifenden Lebensstil pflegen und ihre Macht in Kultur, Wirtschaft und Politik in verrauchten Hinterzimmern verteilen.
Dem gegenüber steht der junge asketische Angelo, der für eine politisch korrekte Welt der totalen Selbstbeherrschung kämpft. Hand in Hand mit moralischem Anspruch geht auch die wirtschaftliche Aufwertung der Stadt. Die neue saubere faire konfliktfreie Welt muss man sich auch leisten können.“
Auszug nachtkritik:
„Die Komödie hätte auch Knallchargen hergegeben (und es gibt sie in Tübingen auch). Aber gerade die Figur des Herrschers gelingt Gilbert Mieroph bei allem Klamauk überraschend vielschichtig. Gewandet in goldene Leggings und Vokuhila-Perücke ist er sympathisch und widerwärtig, einfühlsam und rücksichtslos – der Inbegriff eines Manipulators. Funktioniert auch in Richtung Publikum: Er setzt die Stimmung der Szenen.
Gegen den historischen Strich bürstet die Inszenierung die weibliche Hauptfigur Isabella. Statt einer naiven Novizin, die um das Leben ihres Bruders bitten muss, steht da eine abgeklärte Frau, die sich eigentlich angewidert von dieser Gesellschaft abwenden wollte. Florenze Schüssler spielt sie mit der Lakonie einer Frau, die ahnt, dass die Männergesellschaft sie am Ende übervorteilen wird. In den Nebenrollen stechen hervor: Rolf Kindermann als Escalus, Mann der zweiten Reihe, der souverän zeigt, wie man politisch immer irgendwie durchkommt. Sowie Lisan Lantin, die als verstoßene Fastfrau des Angelo eine Inkarnation von Nina Hagen zum Besten gibt. Als Abend für Schauspieler*innen funktioniert "Maß für Maß" durchaus.“
Auszug Schwäbisches Tagblatt, Peter Ertle:
„Ein Ensemble mit ungebremster, aber auf den Punkt kommender Schauspiellust, eine Inszenierung, die diese Punkte zu setzen weiß. Und die auch mit der zweiten Ebene, dem Video, klug umgeht, heißt: Dort die Bilder bringt, die die Bühne nicht zeigt. Perspektivwechsel, Innenräume, Zooms. Und, am Ende: Als alle nach vorn zu den Zuschauern stehen, von hinten: Vincentios Hand auf Isabellas Po, dann Isabellas zurückblickendes Gesicht: Großaufnahme. Es ist das Gegenstück zum bekannten "was bisher geschah", ein "Was morgen geschehen wird", es ist das Vermächtnis dieser Inszenierung, das Ethos dieses Abends, seine klare Positionierung gegen die Macht. Und es ist schön, dass vorher auch die Gralshüter des moralisch unanfechtbaren Benehmens genügend auf den Latz bekamen.“